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Irak: Die UNO auf der Zielscheibe – warum?
UN-Hilfsorganisationen in Konkurrenz zu den Moscheen*

Von der Entstehung des Islams bis heute haben die Islamisten zur Erringung der politischen Macht die Armen, die Obdachlosen und die entwurzelten Landbewohner, die in den Slums der Städte Zuflucht suchen, unter ihre Obhut genommen. Aus ihrer Mitte haben sie ihre Anhänger ausgewählt und sie ohne Ansehen ihres Alters religiös und militärisch geschult. So konnten sie die Grundlage für ihren militärischen Arm legen, um dann die Macht zu ergreifen. Die machthungrigen Fundamentalisten verfügen heutzutage über genügend historisches Wissen, um sich diese Erfahrungen zunutze zu machen. Auch Ayatollah Chomeini wusste diese menschlichen Energien im Iran und im Irak zu mobilisieren und auf dem Weg zur Macht einzusetzen.

Moschee – mehr als Gebet und Wohltätigkeit

Islamische Fundamentalisten sind heute überall, besonders aber in der islamischen Welt, darauf aus, unter den Armen Eingang zu finden. Für die Ärmsten der Armen sind die Moscheen und islamischen Vereine der einzige Ort, an dem sie vor Hunger, Obdachlosigkeit und Krankheit Rettung finden. Wenn sie sich dann in ihrer Not an diese Institutionen wenden, werden sie einer Form religiöser Gehirnwäsche ausgesetzt. Denn umsonst gibt es auch diese Hilfe nicht. Um ihr Wohlergehen im Diesseits wie im Jenseits besorgt, geraten sie immer tiefer ins Fahrwasser fundamentalistischer und terroristischer Ideologen. Die Islamisten tun alles, um diese menschlichen Energien auf ihre Mühlen zu leiten, und eröffnen in allen Dörfern und Stadtteilen ihre Moscheen. Natürlich dienen diese Moscheen nicht nur dem Gebet und der Verrichtung religiöser Bräuche, sondern viel mehr der Abhaltung politischer Versammlung, dem militärischen Training und als getarnter Treffpunkt. Die Moscheen bergen zahlreiche Geheimnisse, und ihre Verwalter sind gleichsam ein lebendiges Buch dieser Geheimnisse.

Nach dem Sturz von Saddam Hussein

Mit dem Sturz von Saddam Hussein im Irak haben die Vertreter aller islamischen Gruppierungen nicht nur Moscheen wieder aufgebaut, nicht nur Musik- und Tanzschulen zu islamischen Lehrstätten und mehr gemacht, sondern auch an Orten, wo sie wirklich nichts vorfanden, bescheidene Hütten zurechtgezimmert oder Zelte aufgeschlagen, auf denen sie die Fahne des Islams hissten. Offiziell verteilten sie Nahrungsmittel an die Armen und gaben ihnen Geld, hielten dort ihre Predigten und religiösen Zeremonien ab, während sie unter der Hand dieselben Stätten nutzten, um religiöse Eiferer heranzuziehen und sie auch militärisch auszubilden. Die islamistischen Bewegungen dulden niemanden neben sich und betrachten die Fürsorge für die Armen als ihr Monopol. Nach der Auffassung der Fundamentalisten sind sie die einzigen, die fähig sind, die Armen zu retten. Wenn sie eine Regierung bekämpfen, sind für sie alle Regierungsorganisationen wie auch zivile Institutionen, die ihnen das Hilfsmonopol streitig machen, Gegner, und notfalls erlassen sie auch eine Fatwa, ein religiöses Dekret, dass es gegen islamisches Recht verstoße, von solchen Einrichtungen Hilfe anzunehmen.

UNO im Irak – ein Freund in der Not

Im letzten Jahrzehnt spielte die UNO im Irak eine wichtige Rolle, weil sie der irakischen Bevölkerung in vielen Bereichen Hilfe leistete. Ihre Hilfe für die Bedürftigen, besonders für Kinder und Kranke, hat dazu geführt, dass die UNO, ihre Hilfsorganisationen und die UN-Mitarbeiter in der Bevölkerung ein hohes Ansehen genießen. In zahlreichen Orten des Irak ist die UNO mit ihren Hilfsorganisationen vertreten. Nicht nur die Büros und Mitarbeiter der UNO, selbst ihre Fahrzeuge und ihre Fahne lösen in der Bevölkerung eine Welle der Hoffnung und Sympathie aus. Für Saddam Hussein, der die politische Macht in der Hand hielt, war die Präsenz der UNO von Nutzen, da sie die verarmte Bevölkerung einigermaßen ruhig hielt und dafür sorgte, dass keine radikalisierten Armen zum billigen Kanonenfutter für islamistische Bewegungen würden. Zugleich konnte Saddam Hussein sich so auf Kosten der UNO seiner eigenen staatlichen Verpflichtungen entledigen.

Buhlen um die Gunst der Armen

Nach dem Ende von Saddam Husseins Regime sind die islamischen Fundamentalisten im Kampf gegen die USA und Großbritannien unbedingt auf das Reservoir an bedürftigen Menschen angewiesen, wenn sie an die Macht kommen wollen. Die Mitarbeiter der UNO, ihre Büros und Fahnen sind für sie ein gefährlicher Gegner im Kampf um die Gunst der Bevölkerung. Ein Gegner, der zudem Nahrung, Medikamente und Obdach gewährt, ohne dass er die Empfänger zwingt, Koranstunden zu nehmen oder sich im Partisanenkrieg ausbilden zu lassen. Um diesen Gegner aus dem Weg zu räumen, sorgen sie dafür, dass die hinter ihnen stehenden religiösen Führer eine entsprechende Fatwa erlassen. Und sie zögern nicht, UN-Vertretungen in die Luft zu sprengen und ihre Mitarbeiter zu ermorden.

Die Theorie der Angst

Die islamischen Fundamentalisten, egal ob sie Anhänger von Moqtada Sadr, von Ayatollah Baqer Hakim oder von Ayatollah Sistani sind, ob sie der besonders in Kurdistan verankerten ‚Ansare Islam’ oder Al-Kaida angehören, sie alle sind der Überzeugung, dass die UNO ein willfähriger Büttel der USA – des ‚großen Satans’ – ist und nicht eigenständig handelt. Sie predigen ihren Anhängern, dass die UN-Mitarbeiter Spione seien, die alle Orte infiltriert hätten und aufgrund ihrer weiten Verbreitung überall Informationen sammelten, um sie dann den USA und Großbritannien zur Verfügung zu stellen. Nach dieser Darstellung ist es ein gutes Werk im Dienste des Islam, solche Menschen umzubringen.

Die islamischen Fundamentalisten vertrauen der ‚Theorie der Krise’ und der ‚Theorie der Angst’. Diese Theorien besagen, dass man die Feinde des Islam nur bezwingen könne, wenn man sie in eine Dauerkrise ziehe und ständig in einen Zustand der Angst versetze. Nicht nur den Feind, auch das eigene Volk versuchen sie unter Anwendung dieser Theorien unter ihre Kontrolle zu bringen.

Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass das Ziel der islamischen Terroristen, die die Anschläge auf die UN-Vertretung in Bagdad verübten, darin besteht, Angst zu säen – in der Brust der Feinde, in der Brust der irakischen Bevölkerung.

Wer wirksam gegen die islamischen Fundamentalisten vorgehen möchte, muss daher an erster Stelle dafür sorgen, dass die Menschen im Irak ein würdiges Leben in Freiheit führen können.

Ali Schirasi

22.08.2003

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sw, 23.8.03