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In der Wüste wachsen keine Hyazinthen

vom Ende der Islamischen Republik Iran

Es ist soweit: Nach zahlreichen Aufregungen und langem Warten wurde das Kabinett des iranischen Präsidenten Khatami vom Parlament gebilligt. Alle vorgestellten Minister erhielten die notwendigen Stimmen. Die Ereignisse um Khatamis Wahl zum Präsidenten sind gewiss ein wichtiges Thema für die Forschung, für Soziologen wie Politikwissenschaftler. Aber ich möchte hier mit einigen Worten Licht ins Dunkel der iranischen Gegenwart bringen und dazu beitragen, das Wissen um die innere Verfassung des ölreichen Landes mit einer Bevölkerung von 70 Millionen zu vertiefen.

Vor etwa acht Jahren stand die Iranische Republik im Innern wie auch in der Außenpolitik vor einem Berg schier unüberwindbarer Probleme. Im Inland war die Unzufriedenheit in der Gesellschaft derart angeschwollen, dass sie in Form von Protesten auf die Straße getragen wurde und es sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit den bewaffneten Kräften des Regimes kam. Im Ausland wurde mit der Verurteilung der Führer der Islamischen Republik Iran im Berliner Mykonos-Prozess, durch den die Ermordung führender iranischer Kurden-Politiker im Mykonos-Restaurant in Berlin juristisch aufgearbeitet wurde, das terroristische Gesicht des iranischen Regimes für die ganze Welt sichtbar.

In einer derartigen Situation, in der das iranische Regime von innen wie von außen mit massiven Schwierigkeiten konfrontiert war und in den Grundfesten erschüttert wurde, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Die Machthaber mussten sich notgedrungen damit abfinden und beschränkten sich auf eine Sicherung ihrer Positionen in der Wirtschaft, im Kulturbetrieb und in den militärischen Strukturen. Unterdessen setzte ein anderer Flügel des Regimes dazu an, sich selbst unter Aufbietung aller Kräfte und unter Einsatz seiner ganzen Intelligenz an die Spitze der Protestwelle und namentlich der Studentenbewegung zu katapultieren und sie in die gewünschte Richtung zu kanalisieren, um das Überleben der Islamischen Republik zu sichern. Diese Gruppe bezeichnete sich selbst als Reformer. Sie redeten von Freiheit und von politischen Freiräumen und versuchten, die Rolle einer echten Opposition zu spielen. Nach und nach übernahmen sie die Führung der spontan entstandenen Bewegungen und lancierten Khatami als ihren Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Khatami, der von seinem politischen Lehrmeister Ayatollah Khomeini einiges gelernt hatte und mit den wirtschaftlichen und politischen Forderungen der Bevölkerung wohl vertraut war, machte dem iranischen Volk in seinen propagandistischen Ansprachen genau dieselben Versprechungen, die auch Khomeini schon in Paris gemacht hatte, bevor die Macht im Iran ergriff. Das iranische Volk, dessen Leichtgläubigkeit angesichts leerer Versprechungen geradezu historische Dimensionen hat und das sich schon tausendmal verflucht hat, weil es Khomeini Glauben schenkte, ging Khatamis Worten und seinem Lächeln wie schon gehabt auf den Leim und stimmte für ihn. Khatami wurde Präsident, und das islamische Regime, das de facto in zwei Flügel gespalten war, begann mit seiner Gesichtskosmetik. Im Innern rückten die sogenannten Reformer die Rechte des Volkes ins Blickfeld, während die sogenannte Konservativen energisch die Rechte des Islams verteidigten. Was die Beziehungen zum Ausland betrifft, unternahm Khatami eine Reise in die USA und sprach auf einer Sitzung der Vereinten Nationen vom Dialog der Kulturen und von der Errichtung einer Zivilgesellschaft im Iran. Die westlichen Politiker und Massenmedien schufen daraus das Bild eines Menschen, wie sie Khatami selbst gern gesehen hätten. Wie sein großer Meister Khomeini wusste Khatami nur zu gut, was in westlichen Ohren lieblich klang und wie er es präsentieren musste. Die Fundamentalisten dagegen fuhren zwar fort, ihr Parolen "Nieder mit Amerika" und "Tod für Israel" zu verkünden und schwafelten weiter vom Schutz gegen die kulturelle Invasion des Westens, aber diese eingefleischten Konservativen reisten ohne großes Aufsehen in die USA, nach Kanada und Großbritannien, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Für iranische Normalbürger dagegen ist es ein Ding der Unmöglichkeit, von diesen Staaten ein Visum zu erhalten.

Das iranische Volk im Inland und die öffentliche Meinung sowie die Politiker im Ausland warteten vier Jahre lang auf die Wunder, die Khatami vollbringen würde. Vergeblich. Die Armut, das Wirtschaftschaos, die Arbeitslosigkeit, die Prostitution und die Drogensucht nahmen schwindelerregende Ausmaße an. Die politischen Bewegungen im Iran wurden niedergeschlagen. Die Unzufriedenen wurden vorläufig auseinander getrieben. Khatamis engste Freunde und Verteidiger wurden verhaftet, gefoltert und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Aber Khatami sprach weiter von Freiheit und spendete dem Volk ein Lächeln. Die Rechte des Volkes zu verteidigen kam ihm nicht in den Sinn, auch wäre er dazu gar nicht imstande gewesen. Denn wenn er die Rechte des Volkes verteidigt hätte, hätte er die Islamische Republik nicht am Leben erhalten können. Er war zu allem bereit, um der Auflösung der Islamischen Republik vorzubeugen. Während dieser vier Jahre, in denen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Flügeln über den richtigen Weg zur Erhaltung der Islamischen Republik zum Teil handgreiflich und mit gegenseitigen politischen Morden ausgetragen wurden, wurde der Bevölkerung bewusst, dass es nicht um die Verteidigung der Rechte des Volkes (die Parole der Reformer) oder um die Verteidigung und die Bewahrung der Islamischen Rechte (die Losung der Fundamentalisten) ging, sondern um die Aufteilung der Erdöleinkünfte, um die Aufteilung der wirtschaftlichen Einflusssphären.

Als sich seine Amtszeit als Präsident dem Ende zuneigte, musste Khatami sich etwas Neues einfallen lassen. Während 800 Personen für das Präsidentenamt kandidieren wollten, hielt er seine erneute Kandidatur bis kurz vor dem Stichtag zurück. Die iranischen wie die ausländischen Massenmedien nutzten den Zeitraum, um die Spannung in der Frage seiner Kandidatur bis zum letzten Moment, als er sein scheinbares Zögern aufgab, zu steigern. Es war ein sehenswertes Schauspiel, wie er die Wahlkampfarena doch noch betrat. Weinend trat er vor das Volk und verkündete, den Wahlgang noch einmal anzutreten, um das Volk davor zu behüten, künftig gar von einem Fundamentalisten regiert zu werden. Und, oh Wunder, das iranische Fernsehen, das fest in der Hand der "Konservativen" liegt und Khatami in den vorangegangenen vier Jahren systematisch den Zugang verweigert hatte, war auf einmal zur Stelle, seine Worte und seine Tränen im ganzen Land auszustrahlen, und entpuppte sich als wirksamer Wahlkampfhelfer. Selten bekam man die Gemeinsamkeit der Interessen zwischen "Reformern" und "Konservativen" so deutlich vor Augen geführt. Der Wächterrat, der die "Qualifikation" der Kandidaten nach ihrer ideologischen Zuverlässigkeit prüft, ließ von den 800 Bewerbern zehn zu, die restlichen fielen unter den Tisch. Zwei der Zugelassenen waren allgemein bekannt: Ali Fallahian, der ehemalige Geheimdienstminister, der Tausende von politischen Gefangenen, Schriftsteller und Künstler hatte hinrichten lassen, und Khatami, der bisherige Amtsinhaber. Unterdessen führten die Politschauspieler geheime Verhandlungen hinter den Kulissen. Am Tag der Wahlen kamen von den 41 Millionen wahlberechtigten Iranerinnen und Iranern 27 Millionen an die Urnen: 21 Millionen Stimmen entfielen auf Khatami, 6 Millionen auf die übrigen 9 Kandidaten. Ali Fallahian, der selbst Mitglied des Wächterrats ist und zu den einflussreichsten Persönlichkeiten des Regimes zählt, erhielt rund 50.000 Stimmen. Dabei stand ihm die ganze staatliche Propagandamaschinerie zur Verfügung. 14 Millionen Wahlberechtigte waren überhaupt nicht zur Wahl erschienen. Dazu sollte man wissen, dass es im Personalausweis jedes Iraners eine extra Seite gibt, auf der die Teilnahme an den Wahlen eingetragen wird. Sollte sich einer trauen, an den Wahlen zum Parlament, zum Präsidenten oder anderen wichtigen Abstimmungen zu fehlen, kann er auch keinen Stempel in den Ausweis eintragen lassen und das dafür vorgesehen Kästchen bleibt leer. Will man im Iran in den staatlichen Dienst aufgenommen oder zum Studium zugelassen werden, eine Gewerbezulassung erhalten, Immobilien kaufen oder verkaufen, bestimmte, noch immer rationierte Waren erhalten, u.s.w., muss man diesen Personalausweis vorlegen. Sind die Wahlstempel alle vorhanden, folgt für die Behörden, dass es sich um einen staatstreuen Bürger handelt. Fehlen welche, handelt es sich um einen Gegner der islamischen Revolution und des Islams. Es gibt zu denken, dass trotz dieser Konsequenzen 14 Millionen Menschen nicht an den Wahlen teilgenommen haben. Damit die 21 Millionen Wähler, die für Khatami stimmten, aber nicht auf die Idee kommen, dass nun im Iran die große Freiheit ausbricht, hat der Revolutionsführer Khamenei, der nach der islamischen Verfassung den Präsidenten im Amt bestätigen muss, dem ehemaligen Präsidenten Rafsandschani und nunmehrigen Vorsitzenden des Rats zur Wahrung der Interessen des Systems, einem der Drahtzieher hinter den Kulissen, ein Schreiben übergeben, das er Khatami zur Amtseinführung vorlesen sollte. In diesem Brief taucht ein wichtiger Satz auf. Khamenei erklärt: "Ich ernenne Sie zum Präsidenten der Islamischen Republik". "Ich ernenne" und nicht "ich bestätige", wie der Text der Verfassung nach hätte lauten müssen. Das Wort "ernennen" vermittelt eine Botschaft: Nicht die Abstimmung entscheidet über den Amtsinhaber, der Entscheidende bin ich!

Im weiteren Teil des Briefes betont Khamenei, dass Khatami sein Amt solange weiterführen kann, wie er nicht vom islamischen Weg abweicht und die hehren Grundsätze des Islam verwirklicht. Mit anderen Worten: Der religiöse Führer kann den Präsidenten zu jedem beliebigen Zeitpunkt unter einem beliebigen Vorwand absetzen.

Nach diesem Vorfall geriet das Parlament, dessen Mehrheit in der Hand der Reformer liegt, nach seinen ständigen Niederlagen im Streit mit dem Wächterrat und dem religiösen Führer in der Frage der Wahl zweier Fachjuristen in den Wächterrat mit dem Chef der Judikative in die Haare. Das Parlament wollte die von Ayatollah Schahrudi, dem Chef der Judikative, vorgeschlagenen Kandidaten nicht akzeptieren, worauf der Rat zur Wahrung der Interessen des Systems zur Vermittlung angerufen wurde. Dessen Vorsitzender, Ex-Präsident Rafsandschani, sowie der Führer Khamenei, entscheiden den Streit zugunsten von Ayatollah Schahrudi. Das Parlament beugt sich und wählt mit einer Mehrheit von Stimmenthaltungen die vom Chef der Judikative gewünschten Kandidaten in den sehr einflussreichen Wächterrat.

Als nächstes steht die Vorstellung des Kabinetts und die Bestätigung der Minister durch das Parlament in Form eines Vertrauensvotums an. Nach vertraulichen Verhandlungen zwischen Khatami, Rafsandschani und Khamenei werden dem Parlament zwanzig Minister vorgestellt. Fünfzehn von ihnen sind Minister der früheren Regierung, nur fünf der Kandidaten sind neue Gesichter. Bei der Vorstellung des Kabinetts und in den darauf folgenden Tagen äußern sich viele Reformer negativ über die Kandidaten, die schon in ihrer vorigen Amtszeit unter Beweis gestellt hätten, nicht für ihre Aufgabe qualifiziert zu sein. Sie werfen ihnen Vetterleswirtschaft und die Verquickung von Privatgeschäften mit ihrem Amt vor. Während diese Vorwürfe in der Presse der Reformanhänger offen zur Sprache kommen, werden die genannten Kandidaten in den Organen der Fundamentalisten in kaum verhüllter Form verteidigt. Diesmal beantragt Khatami eine Geheimsitzung im Parlament. Was er den Abgeordneten dort sagt, ist nicht bekannt, jedenfalls ist danach von den meisten Abgeordneten kein Mucks mehr zu hören, nur einige wenige üben sich noch in ganz dezenter Kritik. Während sich vor der Geheimsitzung nur vier bis fünf Kandidaten Chancen auf eine Bestätigung durch das Parlament ausmalen konnten, da nur diese die Reformbestrebungen unterstützten, heißt es danach allgemein, dass bis auf wenige Ausnahmen wohl alle in ihrem Amt bestätigt würden. In der Abstimmung passierten dann die von Khatami vorgeschlagenen Kandidaten allesamt die Hürde, die meisten Stimmen erhielt Ayatollah Yunessi - der alte und neue Geheimdienstminister. Er ist einer der Vertrauenspersonen des religiösen Führers Khamenei.

Welcher Abgeordnete sollte sich noch trauen, gegen den Geheimdienstminister zu stimmen, nachdem die Abgeordnete Frau Haqiqatdschu wegen ihrer Reden im Parlament vor Gericht gestellt und zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt wurde?

Die 15 Minister des neuen Kabinetts, die schon die letzten vier Jahre unter Khatami im Amt waren, hatten auch unter dessen Vorgänger Rafsandschani acht Jahre lang das Amt eines Ministers, Vizeministers oder Beraters eines Ministers inne. Wie man sieht, leitet Präsident Khatami somit seine zweite Amtsperiode mit denselben Männern ein, die schon 12 Jahre lang die Wirtschaftspolitik, das politische und kulturelle Leben und den Militärapparat beherrschen. Khatamis Kabinett weist keine einzige Frau auf, und was die religiösen Minderheiten angeht, sind selbst die sunnitischen Moslems nicht vertreten. In solchen Details wird das wahre Wesen der Islamischen Republik sichtbar.

Die Islamische Republik in der Endphase

Nach diesem Einblick in die politischen Abläufe wollen wir uns der sozialen Lage zuwenden.

Ein Lehrer, der seit 24 Jahren im Dienst steht, verdient 100.000 Tuman im Monat, während die Miete für eine 2-Zimmer-Wohnung mit 60 Quadratmetern in größeren Städten 80.000 Tuman beträgt. Laut amtlichen statistischen Angaben leben 30 von 70 Millionen Einwohnern unter der Armutsgrenze. Während die Einnahmequellen unter den Mollas und den großen Basarhändlern, ihren Familienangehörigen und Anhängern aufgeteilt sind, sind Lehrer, Ärzte und staatliche Bedienstete gezwungen, bis zu sechzehn Stunden am Tag zu arbeiten, um sich über Wasser zu halten. Offiziell sind fünf Millionen Menschen arbeitslos, inoffiziell sind 24 Millionen Menschen im Alter unter 30 arbeitslos oder überleben mit Hilfe von Gelegenheitsarbeiten.

Die wirtschaftliche Macht wie auch der Justizapparat liegen fest in den Händen des religiösen Führers Khamenei, des Expertenrats, des Rats zur Wahrung der Interessen des Systems, des Wächterrats, der Freitags-Imame und einflussreicher Basarhändler.

Die formale Spitze der Exekutive, d.h. das Amt des Präsidenten, sowie die Legislative, also das Parlament, haben nichts zu sagen und führen nur die Anweisungen aus, die von den Zentren der Macht kommen.

Nun zur inneren Sicherheit: Viele Studentinnen führen in der Handtasche ein Springmesser mit sich, Taxifahrer halten in ihrem Auto ein Messer, eine Eisenstange oder einen Knüppel bereit, und der Diebstahl von Autoradios, Reifen oder selbst Motoren auf offener Straße ist weit verbreitet. Die Ordnungskräfte pflegen angesichts ihres kärglichen Gehalts mit den Dieben ein freundschaftliches Auskommen. Straßenprostituierte, die aufgrund der katastrophalen Lage im ganzen Land eine zahlenmäßig bedeutende Gruppe bilden, sind ihres Lebens nicht mehr sicher: Allein in Maschhad wurden in den letzten zwölf Monaten 21 Frauen dieser Berufsgruppe entführt, vergewaltigt und dann mit ihrem Kopftuch erwürgt; ihre Leichen wurden im Straßengraben aufgefunden. Auf den Kauf und Verkauf von Hunden und Affen, auf das Ausführen von solchen Tieren auf der Straße sowie auf das Trinken alkoholischer Getränke steht eine Geldstrafe sowie Auspeitschung. Die Auspeitschung wird auf öffentlichen Plätzen vollstreckt. Wenn ein Restaurant eine Frau bedient, die ihren Schleier nicht gemäß den Vorstellungen der Fundamentalisten trägt, läuft es Gefahr, von radikalen Hisbollah-Gruppen überfallen zu werden. Wenn ein Geschäft Kleider, T-Shirts etc. mit unislamischen Bildmotiven verkauft, wenn eine Schaufensterpuppe unislamisch gekleidet ist oder wenn in den Auslagen Unterwäsche zu sehen ist, wird es von den "Sicherheitskräften" und Hisbollahis gestürmt, das Geschäft wird geschlossen, der Besitzer erhält eine Geldstrafe und wird ausgepeitscht. Kein Minister, kein Parlamentsabgeordneter, kein Geistlicher, kein Reformer, kein Student, kein Angehöriger der Sicherheitskräfte, nicht einmal ein Pasdar hat das Recht, das Regime ernsthaft zu kritisieren. Traut sich doch jemand, so wird er oder sie ungeachtet seines Amts von Hisbollahis oder den berüchtigten Herren in Zivil überfallen und landet schließlich im Gefängnis, wo Folterungen das Opfer erwarten.

Khatami und seinen Anhängern ist es gelungen, sich auf die Wogen der gesellschaftlichen Unruhe aufzuschwingen und die Spitzen der Protestbewegung zu brechen. Das Ziel beider Flügel war und ist die Bewahrung des jetzigen Herrschaftsmodells, beide eint die Angst vor einem Volksaufstand, wodurch sie gezwungen sind, aufeinander zuzugehen. Der fundamentalistische Flügel musste dabei nur ein paar Figuren opfern, um den Volkszorn zu besänftigen, mitunter reichte es auch, umstrittene Personen umzuversetzen. Der reformistische Flügel um Khatami dagegen musste einen beträchtlichen Aderlass hinnehmen und seine engsten Mitarbeiter ins Gefängnis schicken und der Folter ausliefern, um die Bevölkerung gehörig einzuschüchtern und sie von den Straßen in ihre Häuser zurückzutreiben.

Während die Reformanhänger und Khatami hie und da noch von Freiheit und der Herrschaft des Volkes reden, preschen die Fundamentalisten mit einem ganz anderen Begriff nach vorne: der Kommandozentrale. Nach ihrer Auffassung darf die gesamte islamische Welt nur eine Kommandozentrale besitzen, von dem alle Befehle für die Lenkung der islamischen Welt ausgehen müssen. Und in dieser Zentrale darf nur ein Führer das Wort haben.

Um dieses Ideal zu erreichen, ist es nötig, Menschen auf öffentlichen Plätzen auszupeitschen, zu steinigen, zu köpfen. Können die Europäer angesichts dieser Grausamkeiten und Brutalität wie bisher weiter machen und den Ausgleich mit dem Regime suchen? Werden die 14 Millionen Menschen, die an den Wahlen nicht teilgenommen haben, stillhalten? Werden die Iraner, die nur gezwungenermaßen zu den Wahlurnen gegangen sind und zu 90 Prozent ebenfalls unzufrieden sind, stillhalten?

Die Islamische Republik Iran ist wie eine Salzwüste, und in der Wüste wachsen keine Hyazinthen. Die Fundamente der Islamischen Republik sind so gelegt, dass sie mit dem Gedanken der Freiheit und den Grundsätzen der Demokratie unvereinbar ist und bleibt.

Mit der Islamischen Republik gibt es keine Freiheit, und in der Freiheit kann die Islamische Republik nicht existieren.

Bildlich gesprochen gleicht das iranische Volk einem Meer, das bis in seine Tiefen aufgewühlt ist, und mit seinen ersten Wellenschlägen die Islamische Republik vom Erdboden hinwegfegen wird. Die Zeichen stehen auf Sturm, und erste Vorboten künden von den bevorstehenden Umwälzungen:

So besetzte die Bevölkerung von Sabsewar, einer 500.000 Einwohner zählenden Stadt im Osten Irans, am 30. August aus Protest gegen eine geplante Neuziehung der Verwaltungsgrenzen eine zentrale Verkehrsader, die Teheran mit Maschhad verbindet. Als die Sicherheitskräfte das Feuer gegen die Protestierenden eröffnete, sprang der Funke auf die Stadt über. Banken, Behörden und Tankstellen gingen in Flammen auf, Scheiben gingen zu Bruch und infolge des Schusswaffeneinsatzes der Sicherheitskräfte verloren 2 Menschen ihr Leben, über 100 wurden verletzt.

Ali Schirasi
31.08.2001
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sw, 29.09.01